Seite 1 von 1
Aufbauten bzw. Materialien
Verfasst: Mittwoch 22. Februar 2023, 23:18
von Dominik
Guten Tag!
Ich habe ein paar Fragen bezüglich Aufbauten bzw. zugehörigen Materialien:
1) wie bildet man eine Hinterlüftung (Fassade sowie Steildach) im Aufbau richtig ab?
2) Extensives Gründach: welches Material entspricht am ehesten einem Gründachsubstrat)
3) Extensives Gründach: welches Material entspricht am ehesten einer Drainage- bzw. Wasserspeicherplatte (5 cm)?
3) Welches Material eignet sich am besten, um Lehm(heiz)estrich darzustellen (dieses Material gibt es in der Bibliothek nicht)?
Vielen Dank im Voraus,
Mit freundlichen Grüßen
Dominik F.
Re: Aufbauten bzw. Materialien
Verfasst: Sonntag 14. Mai 2023, 18:09
von Admin_Nackler
AD 1 – HINTERLÜFTUNG
generell ist die thermische Wirkung einer Hinterlüftung unter Zugrundelegung der „normalen Bauphysik“ nicht seriös beschreibbar. Selbst wenn man die Größe von Zu- und Abluftöffnungen, die Strömungswiderstände und den Windanfall kennt und auf die Strömungsgeschwindigkeit der Luft rückrechnen könnte, steht man vor dem Problem, dass sich z. B. der Wärmestrom durch die Wand kontinuierlich entlang der Länge der durchströmten Schicht ändert (die Hinterlüftung hat ja u. a. die Funktion eines Wärmetauschers). Bereits im stationären Fall bedeutet dies, dass der U-Wert nicht mehr konstant, sondern eine Funktion der in Richtung der Strömung gemessenen Lage in der durchströmten Schicht ist.
Bei solchen und ähnlichen Problemen empfiehlt es sich, Grenzfälle zu konstruieren, um abschätzen zu können, wie stark sich die Unsicherheit bezüglich der Modellierung im eigentlichen Ergebnis niederschlägt. Im speziellen Fall der Hinterlüftung sähe das so aus:
1. Eingabe der Hinterlüftung als stehende Luftschicht (Strömungsgeschwindigkeit null). Als Wärmeleitfähigkeit muss in diesem Fall ein fiktiver Wert eingegeben werden, der den Strahlungsaustausch im Raum der Hinterlüftung beinhaltet. Der Wärmedurchlasswiderstand der stehenden Luftschicht liegt bei Spaltbreiten zwischen d=0,04 und d=0,1 m bei ca. R=0,18 qm*K/W. Die in Thesim einzugebende Wärmeleitfähigkeit lbd errechnet sich daraus zu lbd=d/R.
2. Annahme unendlicher Strömungsgeschwindigkeit. Hier endet der in Thesim einzugebende Schichtaufbau der Wand oder des Dachs an der Innenseite des hinterlüfteten Spalts. Als äußere Randbedingung ist dabei der Tagesgang der Außenlufttemperatur einzusetzen. Das im Hintergrund von Thesim 3D ablaufende Simulationsprogramm GEBA kann eine solche Modellierung umsetzen und korrekt berücksichtigen. In der Oberfläche Thesim 3D ist die Behandlung solcher Spezialfälle allerdings nicht vorgesehen. Standardmäßig wird ja nicht mit der Außenlufttemperatur, sondern mit der Strahlungslufttemperatur gerechnet, die sowohl den langwelligen Strahlungsaustausch der äußeren Bauteiloberfläche mit der Umgebung als auch die Sonneneinstrahlung beinhaltet. Die (wichtige) Auswirkung der äußersten Schicht des Bauteils als Strahlungsschutzschirm ist damit nicht modellierbar.
Ein Vergleich zwischen den Tagesverläufen der operativen Temperatur von Fall 1) und Fall 2) zeigt unmittelbar, ob die Modellierung der Hinterlüftung für die untersuchte Frage relevant ist oder nicht.
Conclusio:
Da der Fall 2) mittels Thesim 3D nicht berechenbar ist, bleibt nur die Modellierung gemäß Option 1). Da davon ausgegangen werden kann, dass die Wand bzw. das Dach gut gedämmt ist(?), wird der Vergleich zwischen 1) und 2) zu kaum merkbaren Unterschieden im eigentlichen Ergebnis (Tagesverlauf der operativen Temperatur) führen. Die Modellierung gemäß 1) (stehende Luftschicht) wird daher bereits zu einem realitätsnahen Ergebnis führen, das zudem auf der „sicheren Seite“ (tendenziell zu hohe Temperaturen) liegt.
AD 2 bis 4) – MATERIALDATEN
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Materialdaten einer jeden Schicht vom Benutzer explizit eingegeben werden können; der Materialdatenkatalog dient zur Erleichterung der Eingabe, muss aber nicht verwendet werden.
Materialdaten spezieller Schichten müssen somit per Recherche bzw. per Anfrage beim Anbieter ermittelt werden. Für das Gründachsubstrat sind meist lediglich Massendichten unmittelbar in den Produktdatenblättern zu finden – und selbst diese sind stark vom Wassergehalt abhängig. Die Wasserspeicherplatte ist zum Großteil vom Substrat befüllt; eine explizite Berücksichtigung der dünnen EPS-Schicht würde ich als übertrieben ansehen.
Vorschlag zur Vorgangsweise:
1. ziehen Sie die Substratschicht und die Wasserspeicherplatte zu einer fiktiven Schicht zusammen.
2. Die Massendichte variieren Sie zwischen den Werten von trockenem und wassergesättigtem Substrat. Die spezifische Wärmekapazität setzen Sie auf 1,0 kJ/kg*K. Auch die Wärmeleitfähigkeit ist zwischen 0,5 (trocken) und 1,5 W/m*K (gesättigt) zu variieren.
Ähnlich wie bei der Hinterlüftung vergleichen Sie die Ergebnisse (Tagesverläufe der operativen Temperatur im Raum). Auch in diesem Fall vermute ich, dass die Variation der Parameter sich nicht oder kaum auf das Ergebnis auswirken wird.
Für den Heizestrich würde ich folgende Werte für Stampflehm heranziehen (sofern Sie nichts Geeigneteres finden):
Wärmeleitfähigkeit 1,5 W/m*K / Massendichte 2300 kg/cbm / Wärmekapazität 0,8 kJ/kg*K.
Re: Aufbauten bzw. Materialien
Verfasst: Montag 15. Mai 2023, 10:40
von Dominik
Herzlichen Dank für die ausführliche Erklärung!